Eine der schwierigsten Aufgaben im Webdesign finde ich die Abstimmung des Designs mit den jeweiligen Wünschen des Kunden. Die meisten meiner Kunden kenne ich nur telefonisch, mit den Mitteln der elektronischen Kommunikation ist es ja kein Problem sich zu verständigen. Auftraggeber können ein bisschen was über sich erzählen, über das, was sie tun, warum sie eine Webseite haben möchten, wen sie mit dem Internetauftritt ansprechen möchten.
Das allein ist aber nach meiner Einschätzung nur die Hälfte dessen, was man als Auftragnehmer wissen sollte. Die meisten Webseiten sind auch nach dem Geschmack des Kunden gefärbt weil die meisten meiner Auftraggeber im mittelständischen Bereich zu finden sind und sich in hohem Maße mit der Außendarstellung identifizieren. Man muss also auch ein bisschen mit psychologischem Gespür an die Sache rangehen und versuchen herauszufinden wie sich ein Kunde selber sieht.
Der Kunde
Gerne würde da manchmal Mäuschen spielen und mir die Wohnungen anschauen, wie sie eingerichtet sind, welche Kleidung sie tragen, welche Farben sie mögen, welches Hobby sie haben, warum sie ihren Beruf lieben und alles sowas. Ich brauche diese Informationen um ein Bild in mir entstehen zu lassen, dem ich im Entwurf einer Webseite folgen kann.
Das Produkt und die Zielgruppe
Und dann haben wir noch das Produkt, die Leistung, die eine bestimmte Zielgruppe ansprechen soll. Bei ganz großen Firmen wird es vielleicht so sein, dass der Persönlichkeitsfaktor eine weniger große Rolle spielt und die Gestaltung ausschließlich auf die Kunden ausgerichtet ist. Ein in die Jahre gekommener Modemache kann eine junge, flippige Modelinie entwerfen, obwohl er sich selber lieber in gediegenen Anzügen aus edelesten Materialien sieht. Bei den meisten Selbstständigen kommt es aber nach meiner bisherigen Erfahrung nicht vor, dass der Kunde selbst nicht mehr erkennbar ist und hinter dem was für die Zielgruppe wichtig ist als ein unscheinbares Nichts verschwindet.
Der Webdesigner
Tja und dann bin ja auch noch ich selber da, durchaus mit eigenem Kopf und eigenen Vorstellungen, mit einem eigenen Leben und den in diesem Leben statt gefundenen Lebenserfahrungen. Das was ich an Informationen über meinen Kunden in mich aufnehme, durchläuft mich wie ein Filter. Würde man die gleichen Informationen 10 verschiedenen Webdesignern geben, so hat jeder einzelne seinen eigenen Filter. Herauskommen würden 10 verschiedene, durch die Persönlichkeit des Webdesigners gefärbte Entwürfe. Deswegen ist es mir immer wieder wichtig, dass ich durch meine Beiträge hier im Blog, durch die Gestaltung meiner eigenen Seiten deutliche Signale setze wer ich bin. Jemand, der an meinen Seiten nichts finden kann und nicht an der Art wie ich schreibe sollte besser ein Häuschen weitergehen.
Und nun zusammen:
Alle drei Dinge im Design einer Seite in ein harmonisches Gelichgweicht zu setzen, das ist das was ich als eine zentrale Aufgabe sehe. Die technische Umsetzung von wegen barrierearm, semantisch ist vergleichsweise ein Kinderspiel – zumindest bei einfachen Webseiten, bei denen ein Mensch, ein Kunde dahintersteht. Bei einem komplexen System wie ein shop liegen die Dinge anders.
So what? Wie bekommt man nun alle drei Dinge unter einen Hut? Sofern allen Beteiligten klar ist, um was es geht, funktioniert das und je mehr Gemeinsamkeiten Kunde und Webdesigner haben, desto einfacher und harmonischer wird das. Da geht der Entwurf einer Seite auch schonmal geschmeidig durch wie Öl. Das ist dann Arbeit, bei der man seine Flow-Erlebnisse hat, die man als beglückend und erfüllend findet.
Probleme
Schwieriger wird es wenn Ungleichgewichte auftauchen. Heißt: eine Webseite driftet zu sehr in das ab, was ein Auftraggeber nach seinem persönlichen Gusto schön findet. Er ist das Maß aller Dinge. Webdesigner, Produkt und Zielgruppe werden nicht so sehr beachtet und man selber verkommt zu einem Wunscherfüller, dem die Pixel die Maus diktiert werden. Hier muss man wohl auch die Fähigkeit haben auf schmerzfrei schalten zu können. Das sollte ich besser können, ich weiß. Sollte ich wirklich? Ich weiß nicht.
Oder: auf Fragen werden widersprüchliche Antworten gegeben und es entsteht in mir nur ein diffuses Bild, ich kann nicht erkennen wer das ist und was er möchte. So etwas wird dann die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Tausend Entwürfe, keiner gefällt und ich bekomm nicht klar warum. Krieg den sprichwörtlichen Knopf nicht dran.
Und schließlich muss ich mich selber auch mit einschließen. Die technische Beratung über Sinn und Unsinn von Vortellungen, über das was umsetzbar ist und was nicht, über Abwägungen von Aufwand und Nutzen ist eine Sache. Im Entwurf mich selber innerlich offen zu machen erscheint mir schwieriger. Schließlich möchte ich es auch nicht umgekehrt: mienem Kunden vordiktieren, wie „seine“ Seite auszusehen hat. Trotzdem komme ich in Situationen in denen ich sagen möchte: Nein, bitte doch so etwas nicht und muss es doch tun.
Lösungen
Muss ich? Ich glaube, dass es vielen Webdesignern so geht, Architekten sicherlich nicht selten auch. Was macht man dann? Was tut man gegen seine eigenen Widerstände? Es ist mir früher sehr schwer gefallen damit umzugehen. Doch die Jahre und die Erfahrung machen es einem zunehmend leichter. Man muss in solchen Fällen einfach auch mal vom Sockel runterkommen, loslassen und den Kunden machen lassen, sich selber zurücknehmen können und sich einfach mal überraschen lassen. Wie ein jüngst entstandenes Beispiel einer Webseite (welche ich sicherlich auch bald hier zeigen kann) zeigt. Hier ist bestimmt nicht alles nach meinem Kopf gegangen – in den Details hätte ich bestimmt einiges anders gemacht, aber im Ergebnis ist es dennoch konsequent und auf eine sehr eigene Weise der Kundin gut geworden . Auch das gibt es, nicht immer zwar, aber oft genug.